Power to Heat – Erneuerbare Energien flexibel zur Wärmeerzeugung nutzen

Im Interview berichtet Werner Neumeier, Senior Project Manager bei beegy, wie kleine Wärmespeicher im Projekt RealValue flexibel gesteuert und komfortabel gemanagt werden.

Das EU-Projekt Real Value ging der Frage nach, wie die schwankende Stromerzeugung aus Sonne und Wind mittels flexibler Verbraucher ausgeglichen werden kann. Dafür wurde in insgesamt 750 Haushalten in Irland, Deutschland und Lettland intelligente Wärmespeichertechnik verbaut und an die Produktion erneuerbarer Energie gekoppelt. Innerhalb des drei Jahre laufenden Projekts wurde unter realen Bedingungen, dass kleine, lokale Energiespeicher, die mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnik vernetzt agieren, allen Teilnehmern am Energiemarkt Vorteile bringen. Wir sprachen mit Werner Neumeier, der das Projekt seitens beegy begleitete.

beegy: Hallo Werner, auf der Weltleitmesse ISH wird diese Woche der effiziente Umgang mit Wärme und Energie in Gebäuden diskutiert. Zu diesem Thema habt ihr bei Real Value ja auch geforscht. Kannst du uns hierzu nochmal den Grundgedanken des Projekts erläutern?

Werner: Ja, sehr gerne. Also, aktuell finden wir folgende Situation im Energiemarkt vor: Der Verbraucher bezieht seinen Strom, wenn er diesen gerade benötigt – unabhängig davon, wie oder zu welchen Kosten der Strom gerade produziert und angeboten wird. Durch den zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergiemix wird die Stromerzeugung immer volatiler und führt zu Erzeugungsspitzen in den Mittagsstunden, wenn die Sonne am stärksten scheint. Strom und Wärme werden im Haushalt allerdings überwiegend morgens und abends bezogen, wenn die Sonne noch nicht bzw. nicht mehr scheint und keine Energie erzeugt.

Die Idee war deshalb, flexible Verbraucher zu nutzen, um Lastspitzen und Engpässe auszugleichen. Im Fokus stand der Einsatz moderner Speicherheizungen, in denen überschüssiger Solar- und Windstrom in Wärme umgewandelt und zwischengespeichert wird.    

beegy: Was waren eure konkreten Fragestellungen?

Werner: Die grundlegende Projektgestaltung ging von der Frage aus: Was wäre, wenn man die Stromabnahme flexibel steuern könnte? In diesem Falle könnte Strom immer dann bezogen werden, wenn gerade ein Überangebot an erneuerbarer Energie besteht und der Strompreis günstig ist. Damit zusammenhängend interessierte uns, welche Anforderungen die Endkunden beim Einsatz von moderner Wärmetechnik stellen. Ist die Umrüstung auf intelligente Speicherheizungen wirtschaftlich? Ergeben sich dadurch Komforteinbußen hinsichtlich Anwendung und Wärme? Eine wesentliche Fragestellung für den Erfolg in der Praxis war außerdem, welchen Mehrwert die Beteiligten haben – also Verbraucher, Produzenten und Netzbetreiber. Daher der Projektname Real Value. Nur wenn jeder dabei profitiert, stößt eine solche Lösung bei allen auf Akzeptanz. Und das ist die Basis, um daraus wirtschaftliche Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Lösungen zu etablieren.
Diese Fragen haben wir im Projekt Real Value untersucht, Lösungsansätze entwickelt und in der Praxis getestet.

Bildquelle: RealValue Final Event Brochure / realvalueproject.com

beegy: Und wie genau kann man sich diesen Praxistest vorstellen?

Werner: Für den Praxistest haben wir insgesamt 750 Haushalte in Irland, Deutschland und Lettland mit moderner Wärmespeichertechnik und einer intelligenten Steuerung ausgestattet. Im Detail erhielten die Haushalte entweder komplett neue hochmoderne Speicherheizungen, intelligente Steuerungen für bestehende Heizungen oder Smart Meter – je nachdem wie die Grundausstattung des jeweiligen Teilnehmers aussah. Über eine Internetplattform wurden diese dezentralen Anlagen mit dem Energiemarkt verbunden. So war es möglich, sie in Abhängigkeit von der Stromerzeugung aus Wind und Sonne zentral zu steuern.

Zusammen mit der MVV Energie übernahmen wir von beegy den deutschen Feldtest in 150 Mannheimer Haushalten. beegy nahm dabei die Rolle des Aggregators ein, schaffte die technischen Voraussetzungen für das virtuelle Kraftwerk und kümmerte sich um das Energiemanagement der Wärmeanlagen während des Live-Betriebs.

beegy: Kannst du uns auch kurz den technischen Ablauf des Projekts erläutern?  Was hat das virtuelle Kraftwerk mit den Elektrospeicherheizungen zu tun?

Werner: Die kleinen, lokalen Energiespeicher in den Haushalten wurden mithilfe moderner Kommunikationstechnik in ein virtuelles Kraftwerk eingebunden, auch Virtual Power Plant genannt oder kurz VPP. Im VPP werden über Optimierungsalgorithmen sogenannte Ladefahrpläne berechnet. Der Plan sagt, zu welchen Zeiten wie viel Strom in die Elektrospeicherheizung gespeist und dort gespeichert wird. Er basiert auf der prognostizierten Angebots- und Preissituation im Energiemarkt und dem individuellen Wärme- bzw. Energiebedarf der Kunden. Mit diesen Informationen ist das VPP in der Lage, die Anlagen je nach Marktsituation zentral zu steuern, um immer den günstigsten Strom zu nutzen und das Stromnetz bei Lastspitzen zu entlasten. Bei Bedarf sendet es Steuersignale an die eingebundenen Speicherheizungen, die sich dann entweder aufladen oder das Speichern von Wärme verschieben.

beegy: Wie haben die Verbraucher letztendlich reagiert? Wie sieht es mit der Alltagstauglichkeit und den Vorteilen für den Endkunden aus?

Werner: Der Kundennutzen stand von Anfang an im Fokus. Denn, wenn der Verbraucher keinen nennenswerten Vorteil aus der flexiblen Stromsteuerung ziehen kann, hat die Lösung auch keine Chance, sich im Markt zu etablieren. Im Sinne der Endverbraucher haben wir ein besonderes Augenmerk auf die sogenannten 5 C‘s gelegt: cost, comfort, control, care and connectivity.

Die Kosteneinsparung sollte durch das optimierte Laden der Elektrospeicherheizung realisiert werden. Das heißt, der Wärmespeicher wurde erst zu den Zeiten geladen, in denen es einen Stromüberschuss gab und die Energie am günstigsten war. Die bedarfsgerechte Ladung der Elektrospeicherheizungen führt zu einer automatisch realisierten und angenehmen Wohntemperatur, was natürlich das Komfortgefühl der Verbraucher steigerte.
Unter „Care“ wird die intensive Kundenpflege und -kommunikation verstanden. So wird der Verbraucher nicht nur anfänglich beraten, sondern er wird während des ganzen Projekts unterstützt und erhält relevantes Wissen, um sicher mit Elektrospeicherheizungen umgehen zu können. Mit Wissen ausgestattet kann dieser dann auch selbstständig in der eigens hierfür entwickelten App die Heizdaten einsehen und ggf. manuell einstellen – der Kunde hat somit die volle Kontrolle. Und schließlich meint Konnektivität die Sicherstellung, dass die Sektorenkopplung mit den Elektroheizungen technisch einwandfrei funktioniert. Diese Faktoren haben maßgeblichen Einfluss auf die Alltagstauglichkeit des Konzeptes.

beegy: Welche Ergebnisse hat Real Value letztendlich erzielt?

Werner: Im Projekt Real Value wurden die technischen und wirtschaftlichen Aspekte, die regulatorischen Voraussetzungen und die Kundenakzeptanz und -wahrnehmung für die intelligente, flexible Steuerung von Elektrospeicherheizungen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass alle Teilnehmer am Energiemarkt dabei tatsächlich Mehrwert erzielen können. Der Verbraucher profitiert von geringeren Heizkosten, während gleichzeitig sein Wärmekomfort steigt. Für Netzbetreiber und Stromproduzenten bietet die Technologie das Potenzial, Lastspitzen und Kapazitätsengpässe im Stromnetz auszugleichen und Ineffizienzen zu vermeiden. Windräder müssen nicht mehr abgeregelt werden und auch das An- und Abfahren konventioneller Kraftwerke bleibt aus. Win-win für alle, würde ich sagen!

beegy: Welchen Ausblick kannst du uns mit dem erfolgreichen Abschluss des Real Value Projekts geben?

Werner: Mit Blick auf die steigende Nutzung erneuerbarer Energie und den Möglichkeiten eines damit verbundenen dezentralen Energiemanagements, wird der Einsatz von Elektrospeicherheizungen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. In gleicher Weise können auch andere Verbraucher künftig flexibel gesteuert und dementsprechend optimiert werden, wie bspw. unsere intelligente Ladesteuerung HERMINE beweist. Indem der Kunde einfach das intelligente Lademanagement nutzt und sein Elektroauto mit selbst erzeugtem PV-Strom auflädt, werden Lastspitzen im Stromnetz ausgeglichen. Damit wird das Laden von Elektrofahrzeugen daheim komfortabel, nachhaltig und wirtschaftlich – und damit letztendlich alltagstauglich.