20 Jahre EEG – Die 5 wichtigsten Anpassungen für die nächste Phase der Energiewende

Am 1. April 2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. Die Jahrtausendwende läutete damit auch eine neue Energie-Ära ein: den Ausstieg aus der Atomkraft und den Umstieg auf eine Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien. Inzwischen sind die erneuerbaren Energien aus den Kinderschuhen gewachsen und können auf eigenen Beinen stehen. Anlässlich des 20. Geburtstags des EEG haben wir mit unserem Kollegen und Energiewirtschaftsexperten Hans-Günter Hogg über die Bedeutung des Gesetzes für unsere Branche gesprochen, aber auch über die notwendige Reformierung. Und einen Ausblick gewagt … könnte doch der stärkere Ausbau von erneuerbaren Energien als nachhaltiges Konjunkturprogramm nach der Corona-Krise genutzt werden.

Hans-Günter Hogg ist seit vielen Jahren in der Energiebranche im In- und Ausland unterwegs. Er kennt sowohl die großen Energieversorger von innen wie auch in den letzten Jahren besonders die Geschäftsmodelle junger Start-ups. Durch seine Arbeit in Verbänden und Gremien ist er bestens mit dem gesetzlichen und regulatorischen Rahmen vertraut.

Energiewende „Made in Germany“ – die weltweite Erfolgsgeschichte des EEG

Deutschland war mit dem EEG Vorreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Erneuerbare Energien waren damals in der Gestehung noch sehr teuer und schlichtweg nicht wirtschaftlich. Genau dort setzte das EEG an. Die Kernpunkte des Gesetzes: ein garantierter Anschluss der Anlagen an das Stromnetz, eine vorrangige Abnahme des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen durch die Netzbetreiber sowie eine garantierte Einspeisevergütung für 20 Jahre. Das sorgte für Investitionssicherheit und brachte den erwünschten Ausbauboom. Durch den entstehenden Massenmarkt, den damit verbundenen Skaleneffekten sowie den technologischen Fortschritten sanken die Kosten seitdem teilweise um 80 – 90 Prozent.

Als das EEG am 25. Februar 2000 im Deutschen Bundestag mit der damaligen rot-grünen Mehrheit verabschiedet wurde, herrschten in Gesellschaft und Wirtschaft große Bedenken und Widerstände vor. Doch entgegen aller Unkenrufe entwickelten sich die Erneuerbaren Energien (EE) im Rahmen dieser gesetzlichen Förderung in rasantem Tempo. Trugen Sonne, Wind, Wasser und Biomasse damals noch 5 % zum deutschen Strommix bei, liegt ihr Anteil heute bei etwa 50 Prozent und übertrifft damit alle einstigen Erwartungen.

Das EEG wurde sozusagen aus dem Stand heraus zum Motor eines beispiellosen Ausbaus der Erneuerbaren und damit zur eigentlichen Basis der erst viel später ausgerufenen Energiewende, nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit. Denn über 100 Länder folgten inzwischen diesem Erfolgsmodell und legten ähnliche Förderprogramme auf.

Mit seiner Förderungsstruktur ließ das EEG zudem ganz neue Industrien entstehen und ermöglichte innovative Geschäftsmodelle. Auch das junge Unternehmen beegy zählt dazu. Seine Lösungsansätze basieren auf dezentraler Stromerzeugung, insbesondere mit PV-Anlagen, verbunden mit einem digitalen Energiemanagement. Anlagen-Monitoring, intelligente Steuerung, Batteriepakete sowie Lademanagement für Elektromobilität helfen dabei, den selbsterzeugten Strom optimal zu nutzen. Perspektivisch sind auch weitere Modelle wie die Vernetzung von Kleinanlagen machbar.

Reform des EEG notwendig – Die 5 wichtigsten Anpassungen

Das EEG ist nach 20 Jahren nicht überholt. Der Rahmen kann und muss für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Erreichung der neuen Klimaziele genutzt und weiterentwickelt werden. Die Erneuerbaren brauchen heute vielfach nicht mehr die oft kritisierte finanzielle Förderung, sondern passende Regeln und Bedingungen, auch um eine stetige Absenkung der EEG-Abgabe zu erreichen.

Ich möchte nur einige, aus meiner Sicht aber zwingend erforderliche Anpassungen nennen:

Perspektiven für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb von ausgeförderten Anlagen:

Bereits im kommenden Jahr 2021 werden mehrere tausend Anlagen mit Ablauf der garantierten 20 Jahre aus der EEG-Förderung fallen. Es droht sogar die Gefahr, dass solche Altanlagen zwangsweise stillgelegt werden müssen. Das ist unsinnig und kann nicht gewollt sein, denn die meisten dieser Anlagen sind technisch noch voll funktionsfähig und könnten noch viele Jahre umweltfreundlichen Strom erzeugen. Der Gesetzgeber muss zügig eine Anschlussregelung (z.B. für Eigenverbrauch, Vermarktungsoptionen, Behandlung von Repowering, ggf. Einspeisevergütung mit angepasster Vergütung) erlassen, um den massiven Abbau von EE-Anlagen zu verhindern. Hierbei geht es nicht um eine Anschlussförderung, sondern die Bereitstellung eines verlässlichen Rahmens, um Altanlagen kostendeckend weiterbetreiben zu können.

Sofortige Abschaffung des PV-Deckels:

Bis etwa zur Jahresmitte 2020 könnte der geltende PV-Deckel von 52 GW erreicht sein. Photovoltaikanlagen würden dann nach dem EEG keine Förderung mehr erhalten. Schon heute werden deshalb Projekte gestoppt, da unter diesen Bedingungen vielfach keine oder kaum tragfähige Finanzierungsmodelle mit Kreditgebern vereinbart werden können. Der Zubau von PV-Leistung droht zum Erliegen zu kommen, ähnlich wie schon beim Windausbau geschehen. Arbeitsplatzverluste im großen Stil drohen. Die Regierung muss die bereits im November 2019 im Klimapaket zugesagte Öffnung vordringlich umsetzen. Dabei wäre auch eine Überprüfung der derzeitigen Zubaukorridor-Regeln anzuraten.

Verlässliche Regeln für Eigenverbrauchslösungen:

Im privaten Sektor, aber zunehmend auch bei Gewerbe und Industrie mit zum Teil großen Aufdach-Anlagen über 100 kWp, spielt der Eigenverbrauch eine immer größere Rolle. Denn mit dem günstig produzierten PV-Strom wird der teure Netzbezug vermieden. Das stellt ein beträchtliches Einsparpotenzial für Anlagenbetreiber dar. Dabei macht es sich deutlich bemerkbar, dass bei kleinen PV-Anlagen bis 10 kWp die EEG-Umlage auf den eigenverbrauchten Strom bis 10.000 kWh/a vollständig entfällt und bei größeren Anlagen auf 40 % reduziert ist.

Nun gibt es deswegen immer wieder Stimmen, die die geltende Eigenverbrauchsregelung im EEG als Privileg von Besserverdienern stigmatisieren wollen. Denn diese können es sich leisten, in PV-Anlagen mit Batteriespeicher und in Elektroautos zu investieren und profitieren damit maximal von der entfallenden EEG-Umlage und vermiedenen Netzentgelten einschließlich Abgaben. Dabei wird verschwiegen, dass diese so initiierten Anlagen natürlich wesentlich zu einem stetigen PV-Ausbau beitragen, trotz sinkender EEG-Vergütung. Ich schlage deshalb eine Anpassung der derzeitigen Eigenverbrauchssystematik für Neuanlagen vor, die eine Über-Förderung ausschließt und gleichzeitig ausgeförderte Anlagen berücksichtigt. Das ist auch im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Photovoltaik und damit zur Stützung der Klimaziele dringend notwendig.

Ausbau der Direktvermarktung und Erleichterung der Anforderungen für Anlagen kleiner 100 kWp:

Die Direktvermarktung hat sich als Mittel zur Heranführung von EE-Strom an den Markt und zur Entlastung der EEG-Kosten bei größeren Anlagen ab 100 kWp inzwischen etabliert und bewährt. Anlagenbetreiber können aus einer größeren Zahl von Direktvermarktern das für sie passende Angebot wählen. Auch Anlagen ‹100 kWp könnten in die Direktvermarktung überführt werden und damit das EEG Umlagevolumen weiter entlasten, wenn kostengünstige Messkonzepte zugelassen und Netzzugangsverfahren erleichtert werden würden. Die dafür erforderliche Nutzung des Smart Meter (iMSys) und der Zählerstandsgangbilanzierung (ZSGB) ist längst überfällig. Entsprechende Regelungen sind gerade auch im Hinblick auf den oben genannten Punkt der Anschlussregelung für Altanlagen zu treffen, für die es eine kostenverträgliche Lösung zur Vermarktung des Stromes geben muss.

Hier stehen viele innovative Anbieter mit neuen Geschäftsmodellen und Lösungen in den Startlöchern, u.a. auch beegy mit seiner integrierten IoT-Plattform und dem automatisierten virtuellen Kraftwerk. Neben der bekannten Direktvermarktung könnten sogar weitere Lösungen wie PPA, Regionalstrommodelle und Anlagenpooling umgesetzt werden.

Modernisierung der Netzentgeltsystematik und Bereinigung der überbordenden Abgabenlast:

Die geltende Netzentgelt-Regelungen (NNE) und die Problematik von §14a EnWG (Steuerbare Lasten) sind ebenfalls ein Hindernis bei der Flexibilisierung der Strommärkte und der Sektorkopplung. Dabei bieten sich kleine PV-Anlagen mit Batteriespeichern und Ladeeinrichtungen, ggf. in Verbindung mit weiteren steuerbaren Lasten im Haushalt, geradezu zur Flexibilisierung und Entlastung der Stromnetze an.

Schon heute sind viele Akteure in der EE-Branche technisch weiter als der energiewirtschaftliche Rahmen und könnten mit vernetzten Energieanlagen und Verbrauchern wirkungsvoll auch regionale und netzdienliche Flexibilität bereitstellen, so wie es z.B. beegy gemeinsam mit anderen Partnern im Rahmen des Forschungsprojektes Living Lab Walldorf bereits bewiesen hat.

Dazu bedarf es aber einer dringenden Anpassung der NNE, um einerseits eine marktliche Nutzung der Flexibilitätspotenziale durch entsprechende Anbieter zu ermöglichen und andererseits die Netzkosten unter Einbeziehung der Einspeiser gerechter zu verteilen. Das ist überfällig und muss dringend entwickelt werden, möglichst verbunden mit einer konsequenten Vereinfachung der Steuern und Abgaben beim Strom. Bekanntlich belasten Steuern und Abgaben die Stromkosten eines Haushaltes in Deutschland Stand 2020 mit mehr als 50 % des Strompreises (u.a. Stromsteuer, Umsatzsteuer, EEG-Umlage, Konzessionsabgabe, KWKG -Umlage). Außerdem wird der Strom deutlich stärker mit Steuern und Abgaben belastet als andere, insbesondere fossile Energien, was eine grobe Verzerrung des Marktes darstellt. Gute Diskussionsgrundlagen für andere Lösungen bieten z.B. die entsprechenden Vorschläge des bne.

Es kann also nicht um die Abschaffung des EEG gehen, sondern um die Gestaltung eines modernisierten, zukunftsorientierten Gesetzesrahmen für die nächste Stufe der Energiewende. Die 2020er Jahre werden das Jahrzehnt der Verzahnung der Sektoren und der Systemintegration der EE in einer digitalisierten Energielandschaft.

Chance nutzen – Erneuerbare als Lösung für Wirtschafts- und Klimakrise

Die Klimaschutzerfolge in Deutschland gehen zu einem großen Teil auf den Umbau der Stromerzeugung zurück. Doch um die Ziele für 2030 zu erreichen, wäre ein PV-Zubau von mindestens 10 GW jährlich erforderlich, auch um eine Stromlücke im Zuge des Atom- und Kohleausstiegs zu vermeiden.

Aktuell liegt allerdings die volle Aufmerksamkeit der Politik in der Eindämmung der Corona-Pandemie und der Abwendung einer Rezession der Wirtschaft. Dringend erforderliche Entscheidungen in der Energiepolitik könnten in den Hintergrund treten. Doch viele Stimmen werden gerade laut, die in der aktuellen Corona-Krise eine Chance sehen, den Ausbau erneuerbarer Energien mit einem Konjunkturprogramm zu verknüpfen. So könnten viele neue Arbeitsplätze geschaffen, die Wirtschaft zukunftsweisend angekurbelt und zugleich der Klimaschutz nachhaltig vorangebracht werden. Deutschland könnte hier wie einst in 2000 eine Vorreiterrolle einnehmen und weltweit Impulse setzen.